Es ist ein Mittwochmorgen im März, es ist kurz nach acht und die Straßen von Denver-Downton sind bereits belebt. Ich treffe mich mit dem Pressesprecher des Fire Department Denver vor der Fire Station 4, der Feuerwache, in welcher der „Tower 4“ stationiert ist. In die Wache selber kommen wir aber nicht, da die Besatzung bereits im Einsatz ist. Lange müssen wir aber nicht warten, da hören wir schon lautes Sirenengeheul in den Straßenschluchten und kurz darauf fährt der Firetruck der Wache vier an uns vorbei. Der Captain zeigt dabei auf die Hallentore der Wache und öffnet eines im Vorbeifahren per Fernbedienung. Wir gehen zusammen in die Feuerwache und warten bei einer netten Unterhaltung auf die Rückkehr der Wachbesatzung. Es dauert nicht lange, da parkt der Engineer (Maschinist) den Tower mit lautem Getöse in der Fahrzeughalle. Kurz darauf werde ich von allen Kollegen der Wache herzlich begrüßt und wir trinken zusammen eine Tasse Kaffee in der Küche.
Anschließend wird mir ein Platz auf dem Fahrzeug zugewiesen und das gesamte Wachegebäude gezeigt. Die Fire Station 4 ist ein sogenanntes „Singelhouse“, das heißt, dass hier lediglich nur ein Einsatzfahrzeug stationiert ist, obwohl die Fahrzeughalle über drei Stellplätze verfügt. Neben dem Tower 4 steht weiterhin noch ein zweites Großfahrzeug in der Halle, welches aber nur als Reservefahrzeug für das gesamte Fire Department genutzt wird. Die gesamte Wachbesatzung der Wache besteht ausschließlich aus vier Firefightern, die einen sehr kameradschaftlichen Umgang miteinander pflegen. Wirklich viel Zeit bleibt dafür aber nicht, denn kurz darauf ertönt auch schon die Alarmdurchsage des Dispatchers aus den Lautsprechern der Fire Station. Das Communications-Center alarmiert uns zu einen „Verkehrsunfall Person eingeklemmt“, die weitere Durchsage gibt an, dass es sich um einen Verkehrsunfall zwischen einer Straßenbahn und einem PKW handelt. Ich muss mich wirklich beeilen meine persönliche Schutzkleidung anzulegen, denn wir rücken wahnsinnig schnell aus. So dauert es keine 30 Sekunden und wir sind mit lautem Getöse unterwegs zum Einsatzort. An der Einsatzstelle eingetroffen, ergibt die erste Erkundung durch den Captain, dass ein PKW von einer Straßenbahn im Bereich der Beifahrerseite erfasst wurde, sich in dem Wagen der verletzte Fahrer befindet, dieser aber nicht eingeklemmt ist. Da bei unserem Eintreffen bereits Engine 1 sowie eine Ambulance vor Ort sind, übernimmt der Angriffstrupp vom Tower 4 die Erkundung des Fahrgastraumes der Straßenbahn. Kurz darauf steht fest, dass hier keine weiteren Verletzten zu beklagen sind. Daraufhin unterstützen wir noch beim Patiententransport und rücken anschließend ein.
Nachdem wir wieder in der Wache sind, steht die Überprüfung des Towers an; hierbei werden alle Gerätschaften sowie das Fahrzeug selber nach einer Checkliste überprüft, was etwa eine Stunde dauert. Im Anschluss daran meldet uns der Captain beim Communications-Center für ein Training ab, wozu wir zu einem alten Hallenkomplex fahren, der früher als Lagerhaus genutzt wurde. Die Abmeldung bei der Leitstelle für ein Training ist generell möglich, da gerade in der Innenstadt die Feuerwachen sehr dicht aneinander gelegen sind; die Leitstelle koordiniert hierbei aber, welche Einheiten wann „außer Service“ gehen dürfen. Das Training selber besteht darin, dass wir das gewaltsame Öffnen von Türen üben, wozu ausschließlich ein Halligan-Tool sowie eine Feuerwehraxt zum Einsatz kommen. Weiterhin zeigen die Kollegen mir, wie man Löcher in Leichtbauwände bricht, um sich beispielweise einen Weg zu vermissten Personen zu bahnen. Die Techniken hierbei sind sehr beeindruckend und gerade die Teamarbeit eines Trupps ist hier besonders wichtig und muss daher regelmäßig trainiert werden. Dabei ist zu sagen, dass die Hauptaufgabe der Besatzung des Towers 4 darin besteht, vermisste Personen in Gebäuden zu suchen. Beim Fire Department Denver ist dieses eine traditionelle Aufgabe der Tower-Besatzungen, wozu sich an Einsatzstellen alle vier Besatzungsmittglieder mit Pressluftatmern ausrüsten können. Nach etwa eineinhalb Stunden schweißtreibendem Trainings melden wir uns wieder „in Service“ und besorgen uns auf der Rückfahrt zur Wache einige Sandwiches für das gemeinsame Mittagessen. Die Wache selber erreichen wir dabei allerdings nicht, denn auf der Rückfahrt werden wir zu einen „Medical-Call“ alarmiert. Hinter dem Einsatzstichwort verbirgt sich ein medizinischer Notfall, zu welchen alle Engines, Trucks und Towers des Fire Department Denver standardmäßig alarmiert werden. Die Aufgabe besteht dabei, die Erstversorgung des Patienten sicherzustellen und die Paramedics der Ambulance bei der Patientenversorgung zu unterstützen.
An der Einsatzstelle versorgen wir eine hilflose Person auf der Straße und übergeben sie kurz darauf an die Paramedics der Ambulance. Kurz danach sitzen wir alle gemeinsam am Mittagstisch in der Wache und lassen uns die Sandwiches schmecken. Lange währt die Ruhe allerdings nicht, denn schon wieder ertönt eine Alarmdurchsage durch das Wachgebäude und kurz darauf sind wir wieder zu einem Frist-Responder Einsatz unterwegs.
Nach diesem Einsatz steht nochmals Unterricht auf der Feuerwache an; die Kollegen zeigen mir auf eindrucksvoller Weise, welche Möglichkeiten sie zur Türöffnung haben. Hierbei lerne ich das Halligan-Tool nicht gleich Halligan-Tool ist. Zum Üben der sogenannten „Force Entry“ haben die Firefighter sich hinter dem Tower 4 in der Fahrzeughalle einen speziellen Türrahmen selber gebaut, der aus zusammengeschweißten Stahlträgern besteht. In diesen Rahmen können sie jede beliebige Tür einspannen bzw. rein schrauben. An diesem Tag stand das Öffnen einer schweren Metalltür an, welche mit einer deutschen Brandschutztür in T30 zu vergleichen war. Aber auch eine solche Tür öffnen die Firefighter im Team in wenigen Minuten mit einem Halligan-Tool und einer Feuerwehraxt oder einem TNT-Tool. Es ist wirklich beeindruckend, welche Möglichkeiten man mit der Kombination der einzelnen Tools hat. Und wieder platzt mitten in den Unterricht ein Alarm. Aus den Lautsprechern ertönt die Stimme des Dispatchers „Medicall-Call“ Schnell packen wir alle Brechwerkzeuge zusammen und verstauen sie in den Geräteräumen und schon sind wir mit dem schweren Truck wieder unterwegs im hektischen Großstadtverkehr zum nächsten Einsatzort. Am Einsatzort angekommen finden wir in einer Appartmentanlage einen älteren Mann vor, der deutlich sichtbar und hörbar Atemnot hat. Die Firefighter versorgen auch diesen Patienten professionell und übergeben ihn anschließend an die Besatzung der Ambulance.
Nachdem wir den Einsatz beendet haben, machen die Kollegen für mich noch eine kleine „Sightseeing Tour“ in ihrem Wachgebiet und zeigen mir dabei interessante Straßen und beeindruckende Wolkenkratzer. Wir unterhalten uns dabei die ganze Zeit über Headsets, welche ständig im Fahrzeug getragen werden. Über die Headsets kann man sich im Fahrzeug untereinander verständigen und hört gleichzeitig im Hintergrund den Funkverkehr mit. Plötzlich ruft der Captain „Struktion-Fire“! Über das beim Fahrzeugführer fest eingebaute Toughbook bekommen wir eine Alarmierung des Communications-Centers. Das Einsatzstichwort „Struktion-Fire“ heißt dabei soviel wie Gebäudebrand. Der Engineer macht daraufhin die Sondersignalanlage an und ist jetzt deutlich schneller unterwegs. Beim Eintreffen an der Einsatzstelle sind bereits andere Einheiten, wie zwei Trucks (Drehleiter), ein Engine (Löschfahrzeug) sowie ein Assistent Chief mit seinem Kommandowagen, vor Ort. Das Gebäude, in dem der Brand gemeldet ist, ist ein Hochhaus und wir gehen gemeinsam in die Lobby, wo bereits ein duzend Firefighter voll ausgerüstet stehen. Aus einem Lüftungsschacht tritt mitten in der Eingangshalle Wasser aus und viele Bewohnen kommen uns auf dem Weg ins Gebäude entgegen. Der Assistent Chief befindet sich ebenfalls im Eingangsbereich des Hochhauses, aber in einem separaten Raum, dem Raum der Brandmelderzentrale.
Er erklärt mir die Vorgehensweise und kurz drauf erhalten wir über sein Handfunkgerät eine erste Rückmeldung einer im Gebäude vorgehenden Einheit. Dabei stellt sich heraus, dass im 11 Obergeschoss in einem Apartment ein Sprinkler ohne erkennbaren Grund ausgelöst hatte. Der Chief reduziert daraufhin die eingesetzten Kräfte und lässt die betreffende Sprinklergruppe abschiebern. Auch die Besatzung des Tower 4 kann einrücken und nach einem kurzen Smalltalk mit den anderen Fahrzeugbesatzungen verlassen wir die Einsatzstelle. Da es erst halb acht ist, besuchen wir die Fire-Station 6. Auf dieser Wache ist das Spezialfahrzeug „Hammer 1“ stationiert, ein Fahrzeug für Gefahrguteinsätze. Da zur Beladung dieses Fahrzeuges unter anderem eine umfangreiche Messtechnik gehört, wird diese Einheit zu allen größeren Brandeinsätzen im Stadtgebiet allarmiert. Die Hauptaufgabe der Besatzung ist an diesen Einsatzstellen die Schadstoffmessung. Auch auf dieser Wache sind alle Kollegen mir gegenüber sehr aufgeschlossen, so dass mir spontan das gesamte Wachegebäude sowie die Einsatzfahrzeuge ausführlich gezeigt und erläutert werden. Nach einem kurzen Aufenthalt geht es weiter zur Feuerwache 3, welche eine der ältesten Wachen in Denver ist. Dort angekommen bin ich wirklich beeindruckt, dass die gesamte Wache immer noch so genutzt wird, wie sie damals gebaut wurde. Das Wachgebäude ist sehr klein, so dass „Engine 3“ gerade so in die Fahrzeughalle passt. Eine kleine Küche schließt direkt an die Fahrzeughalle an. Auch hier wird noch traditionell in einem gemeinsamen Schlafsaal geruht. Bei dem Besuch erzählen mir die Kollegen der Wache, dass in dem alten Gebäude ein Geist leben würde, den man manchmal Nachts hören könnte. Hiermit erklären sie sich, warum nachts oft das Quietschen von Türen in der Wache zu hören ist…
Nachdem wir uns auf der Wache 3 verabschiedet haben, geht es wieder mit dem Tower 4 durch die Straßenschluchten von Denver Downtown; jetzt im Dunkel wirken die Wolkenkratzer noch imposanter als im Hellen. Obwohl es mitten in der Woche ist, sind auch die Bars und Restaurants gut besucht und auf den Straßen viel los. Und auch wir kochen heute nicht selber auf der Wache, sondern steuern mit dem Truck ein bei den Jungs beliebtes Restaurant an, wo wir bereits zwei große Familienpizzen vorbestellt haben. Auch hier hält der Maschinist wieder direkt vor dem Laden und wir gehen in voller Montur in das Restaurant, um die Pizza abzuholen. Als deutscher Feuerwehrmann wundere ich mich darüber, aber hier scheint das wirklich nicht ungewöhnlich zu sein. Wieder auf der Fire Station 4 angekommen lassen, wir uns gemeinsam die Pizza schmecken und reden noch lange über die Unterschiede in unserem Job, bis ich mich schließlich völlig k.o. von den Eindrücken des Tages zum Ruhen abmelde. Die Ruheräume sowie die übrigen Sozialräume auf der Wache sind, wie bei vielen anderen Wachgebäuden auch, direkt an der Fahrzeughalle gelegen. Rutschstangen werden oft nicht benötigt, da viele Wachen nur über ein Erdgeschoss verfügen. So erklären sich auch in den Nachstunden die oftmals sehr kurzen Ausrückezeiten. Obwohl die Wache 4 in Denver eine „Klingelwache ist, können wir bis kurz nach vier schlafen; erst dann weckt uns wieder die freundliche aber bestimmende Stimme einer Dispatcherin mit den Worten „Medicall-Call“… Kurze Zeit später sitzen wir alle im Fahrzeug und sind unterwegs Richtung gemeldeter Einsatzstelle. Dort angekommen ist wieder die Versorgung eines Notfallpatienten erforderlich, welchen wir nach einer kurzen Übergabe an die Besatzung einer Ambulance übergeben. So sind wir um kurz vor fünf wieder auf der Wache. Da ich nicht mehr wirklich gut schlafen kann, stehe ich bereits um sechs Uhr auf und gönne mir eine belebende Dusche. Meine Dienstkleidung liegt dabei wie auf einer deutschen Berufsfeuerwache natürlich in greifbarer Nähe. Ich werde beim Duschen allerdings nicht gestört, so dass der neue Tag beginnen kann. Jetzt heißt es für die restlichen Kollegen ebenfalls aufstehen, denn es ist mittlerweile halb sieben und vom Communikationscenter erfolgt ein zentraler Weckruf durch die ELA- Anlage auf allen Wachen. Viel Zeit bleibt nämlich nicht, denn um 07:00 Uhr ist bereits die offizielle Wachablösung und so werden die Kollegen der ablösenden C-Schicht bereits kurz vor sieben freudestrahlend in der Küche beim Morgenkaffee begrüßt. Bei dem gemeinschaftlichen Kaffee findet praktisch auch die Wachübergabe statt, da hier gleichzeitig auch Informationen zum Dienstbetrieb ausgetauscht werden. Auch diese Art der Wachablösung war für mich als Deutscher eher ungewöhnlich, ist aber wohl gerade auf kleineren Wachen oftmals üblich.
Text & Fotos
BA Christian Meyer
Freiw. Feuerwehr Lippstadt